Metropolen ab Hamburg 1 mit der AIDAperla, Southampton 20.03.18

Heute ist der geneigte Leser gefordert, aktiv den Text zu verändern. Aus „gehen“ wird nun „humpeln“ und Schuld daran ist der Beach Club, den wir statt Southampton genießen. Genauer ein riesiger, über alle Maßen gewaltiger und bösartiger Tisch mit Lichtgeschwindigkeit. Hoch und schnell ist auch das richtige Wort für den Racer. Und meine Fingerabdrucksammlung wird immer größer.

Southampton 18.03.20 - Zu spät zu den Metropolen AIDAperla

Tatsächlich bekommen wir das heute hin, zur richtigen Zeit im richtigen Restaurant zu sein. Naja, nochmal passiert uns das nicht (der geneigte Leser mag sich dies Versprechen zum Abgleich mit späteren Reiseberichten gerne merken).

Früh Morgens der Face Check

Inzwischen haben wir in Southampton festgemacht. Dies liegt bekanntlich im Süden Englands, was für den erfahrenen Kreuzfahrer vor allem eins bedeutet: Face-Check durch die englischen Behörden. Also hat erneut jeder Gast und jedes Besatzungsmitglied vor einem Beamten zu erscheinen, der mit höchstem Interesse und ausführlicher Genauigkeit in einer hundertstel Sekunde auf den Ausweis schaut. Natürlich mag das sein, dass dies nur bei uns so schnell geht, schließlich schauen die englischen Behörden nun bestimmt das siebte Mal auf mein Bild. Erstaunlich, dass sie das noch nicht satt haben, inzwischen habe ich mehr Fingerabdrücke von englischen Beamten auf meinem Ausweis gesammelt als Scotland Yard. Und das ohne englischen Boden zu betreten.

Denn das haben wir nun dreimal in Southampton gemacht. Und nun gibt es eine kurze innere Diskussion: Draußen ist ein Wechsel von trübem kalten Wetter und einigen Sonnenstrahlen. Es liegt vereinzelt Schnee (was in Southampton eher seltener ist). Der Weg durch den Hafen ist wieder weit und uninteressant. Das ist die eine Seite. Die andere Seite: Alle sind von Bord. Fast alle. Damit dürfte der Beach Club leer sein. Und wir müssen für morgen Kraft tanken, denn da wollen wir erstmals nach Brügge.

Damit ist die Diskussion entschieden und wir gehen in die Lounge, um beim Concierge Karten für den Transfer nach Brügge zu bestellen. Im Gedenken an den gestrigen Tag gelingt es uns unter Aufbietung aller inneren Kraft, weiteren Versuchungen der Lounge zu widerstehen und stattdessen bis zum gemeinsamen Treffen im Beach Club noch etwas zu lesen und Reisebericht zu schreiben. Die spätere Verabredung ist übrigens absolut sinnvoll, schließlich ist es für 6 von 6 Kindern schon heute Morgen eine Zumutung, um 10 Uhr wach zu sein, um irgendwelchen Behörden in die Augen zu blinzeln.

Beach Club Southampton 18.03.20 - Zu spät zu den Metropolen AIDAperla

Im Beach Club

Ein bisschen Lesen geht danach noch, ein bisschen Reisebericht schreiben und dann treffen wir uns um 13 Uhr im Beach Club. Dies ist eine riesige überdachte Poolanlage über 2 Decks. Zunächst wollen wir uns oben hinlegen, aber unter dem bewusst UV-durchlässigen Spezialdach ist es zu drückend. Unten auf den Liegen mit Blick über Southampton ist es aber perfekt.

Doch nun passiert es, was den Rest der Reise beeinflussen wird und uns noch mehr Probleme bereitet bei dem Kalorien-Problem, das ich gestern schon beschrieben hatte: Bisher bin ich auf allen Reisen tapfer immer und überall, bei jeder sich bietenden Gelegenheit durchs Treppenhaus gegangen und habe jeden Fahrstuhl gemieden, solange er nicht zu sirenenhaft gesäuselt hat. Aber das ist nun erstmal vorbei und ich weiß nicht, wohin nun mit den Kalorien.

Die beste Ehefrau von allen vermutet dahinter eher ein Komplott, um den Einkaufsmarathon in Rotterdam zu umgehen (hier sind mir Heike und Jürgen eiskalt in den Rücken gefallen, indem sie von den dortigen tollen Schuhgeschäften berichtet haben). Der ungeneigte Leser mag hier einen Versuch sehen, auf mitleidheischende Art die Leserschaft zu vermehren. Aber ich kann Beweisfotos beibringen und schwöre, dass es genauso passiert ist. Oder zumindest ungefähr so:

Lädiert durch einen schnellen Tisch

Es gibt nämlich einen guten Grund, warum ich nie Flip-Flops trage. Nun wurde ich doch überredet und gleich nach den ersten Schritten im Beach Club passiert es: Ein riesiger, mindestens 30qm und nicht weniger als 800kg schwerer Korbtisch, der sich auf irgendeine gemeine Weise hinter einem Paar Schuhe versteckt hat, springt direkt vor mir mit Lichtgeschwindigkeit in den Weg, so dass ich nicht mehr ausweichen kann und ihn voll mit dem 3. Zeh des linken Fußes derart erwische, dass er mindestens 100m fliegt. Weltrekord. So fühlt sich jedenfalls das plötzliche Brennen im Zeh an. Nachdem ich mich zu einer nahen Liege geschleppt habe, kann ich mich überzeugen, dass alles noch gerade steht, der Zehennagel noch dran ist und auch sonst keine Auffälligkeiten bestehen. So bin ich einigermaßen beruhigt und nach einer Pause geht es dann auch wieder, so dass noch einige Badeaktivitäten drin sind, bis sich der Zeh doch anfühlt wie ein Pauken-Trommelschlegel und inzwischen eine irgendwie ungesunde blaue Farbe angenommen hat. Aua!

Racer Southampton 18.03.20 - Zu spät zu den Metropolen AIDAperla

Ab hier muss der geneigte Leser nun also in Gedanken bei meinem Text ein „humpeln“ einfügen. Wir üben das gleich mal: „Wir gehen erst einmal in den Pool“. Hier muss der Leser nun lesen: „Während die beste Ehefrau von allen elfengleich zum Pool schwebt, humpelt der Autor dieser Zeilen ungeschickt hinterher.“
Super, und gerade eben hatten wir doch noch Transferkarten nach Brügge bestellt.

Rutschen im Racer

Also weiter: Wir gehen erst einmal in den Pool. Dieser ist erfreulich warm, um diese Zeit noch erfreulicher leer, aber bisschen langweilig. Spannender ist es da, durch die Lamellen in den Außenbereich zu tauchen. Hier ist Strömung im Pool immer schön im Kreis, und das macht mehr Spaß. Wir lassen uns einfach treiben bei 6°C, genießen die Sonne und bestaunen die Gäste, die außen am Poll in dicken Winterjacken vorbeigehen.

Aber das ist noch nicht die größte Herausforderung. Auf diesem Schiff gibt es ja noch eine riesige Rutsche, die wir noch nie ausprobiert haben, den Racer. Heute ist es nun soweit. Leider ist dieser nicht im Beach Club, sondern im Four Elements. Ersterer ist recht weit vorne, letztere ganz hinten im Schiff. Der schnellste Weg wäre jetzt, einmal im Bademantel außen an dem Pool rauszugehen und ein Stück weiter wieder reinzuschlüpfen. Aber bei der Kälte: Keine Chance. Deshalb am vorderen Treppenhaus ein Deck tiefer auf Deck 14 und von dort „gehen“ (der geneigte Leser erinnert sich an die Wortersetzung) wir längs über das Schiff nach hinten, dann kommen wir genau bei der Treppe raus. Dies ist eine normale Treppe, die zum unteren Ende des Racer führt, von dort geht eine Wendeltreppe hoch zum Start. Der geneigte Leser wird nun ein kleines Unbehagen verspüren, denn da war doch noch was: Ach ja, meine natürlich Höhenskepsis. Aber was soll‘s, heute hauen wir richtig einen raus, der Zeh ist eh schon quasi gestorben, da kommt es auf den Rest auch nicht mehr an.

Sobald das grüne Licht erscheint, dürfen wir auf der wasserverstärkten Rutsche loslegen. Und nun geht es erstaunlich schnell durch die lange Röhre von Deck 18 auf Deck 14, teilweise durch durchsichtige Elemente nach unten. Ich scheine dabei ein verstärktes Eigengewicht zu besitzen (kein Wunder bei den Kalorien der letzten Tage), denn bei mancher Kurve trägt es mich ganz schön an die Wand und am Ende komplett unter Wasser. Aber der Auslauf ist länger als nötig und damit ungefährlich zu erreichen. Das macht tatsächlich richtig Spaß, lediglich einige Übergänge in den Röhren bieten doch einen kleinen, unangenehmen Widerstand. Aber ein zweites Mal ist noch drin, bis wir wieder zurück in den Beach Club „gehen“.

Beach Club Southampton 18.03.20 - Zu spät zu den Metropolen AIDAperla

Lecker im East Restaurant

Vor dem Abendbrot muss ich noch meinen traditionellen Rundgang über Deck machen. Inzwischen scheint durchgehend die Sonne und der Wind ist gar nicht mehr so eisig wie die letzten Tage. Gut eingepackt lässt es sich gut aushalten. Was uns hier im Hafen immer am meisten auffällt, sind die großen fast fensterlosen Autotransporter, die Züge, von denen jede Menge Autos abgeladen werden und die unzähligen Autos und Baumaschinen, die hier überall auf Parkpaletten und Freiflächen stehen.

Abendbrot gibt es heute im East Restaurant. Hier stellen wir uns gerne einen riesigen Teller mit rohem Fleisch und Gemüse zusammen, den wir dann beim Koch abgeben und nach ein paar Minuten fertig gegart wieder abholen können. Dann noch süßsaure Soße darüber und das Essen ist perfekt.

Bis zur Show spielen wir noch unsere gestern angefangene Runde „Phase 10“ weiter. Aber trotz frischem Elan wird es einfach nicht besser und Runde um Runde bleiben wir schon bei der 3. Phase hängen. Mal sehen, ob wir morgen noch Lust haben, das zu Ende zu spielen.

Die Show „Fabelhafte Freunde – Winterspaß“ ist eigentlich eine Familienshow und sehr kindgerecht. Die Sänger und Tänzer verkörpern verschiedene Waldtiere und das ist so zauberhaft gemacht, dass wir uns dem Flair auch nicht entziehen können.

Eine abschließende Inspektion des lädierten Zeh bestätigt dann, dass es sich nur um eine etwas unangenehme Prellung handelt, also kein Grund zur Sorge. Aber in Zusammenschau mit den morgendlichen Halsschmerzen durch die Klimaanlage kann ich nun wahrheitsgemäß behaupten, dass ich von Kopf bis zu den Zehen lädiert bin. Nun bitte doch noch eine abendliche Runde Mitleid!

Die nächste Etappe sind 398 Kilometer bis Zeebrügge.

Southampton

Der Lohn des Schreibens ist das Lesen. Das Kommentieren. Besonders das Teilen auf Blogs und Netzwerken!
Bisher keine Bewertungen
Senile Bettflucht und 1. Platz beim Quatschkopf-Award
Durch die vielleicht schönste Stadt Europas