Kanaren 9 mit der AIDAsol, Atlantik 19.10.15

Möchte man sich die „Schönheit“ einer Reisekrankheit vorstellen, wenn jemand eine durchsichtige Tüte benutzt? In unserem kleinen Bericht ist uns aber natürlich nichts Menschliches fremd. Genauso wenig wie Sonne, Brandung und Lachs. Oder schlafende Kellner. Oder Lachs vorwärts wie rückwärts.

Atlantik 15.10.19 - Zwei Runden um die Kanarischen Inseln AIDAsol Kanaren

Über Nacht können wir die Balkontür auflassen. Undenkbar noch vorgestern in Deutschland bei gefühlt 50°C weniger. Zumindest hat es in den letzten Tagen ja schon in einigen Gegenden geschneit. Bei uns in der norddeutschen Tiefebene nicht, da war dafür Dauerregen und Temperaturen nachts nahe dem Gefrierpunkt, so dass wir unsere Schildkröten lieber aus dem Gehege in den Kühlschrank gebracht haben.
Und nun hier 21°C mitten auf dem Meer.

Die Schaukelei hält sich sehr in Grenzen, trotz ordentlichem Wind bewegt sich das Schiff wenig. Selbst hier fast ganz vorne auf Deck 7, wo die Auf- und Abwärtsbewegungen am stärksten sind (nicht jetzt wegen „Deck 7“, sondern wegen „vorne“), ist nur eine leichte Bewegung zu spüren. Gar kein Vergleich mit der letzten Reise, bei der wir von Gran Canaria abgelegt haben. Das war das erste und einzige Mal, dass wir gefühlt sterbend vor der Toilette gelegen hatten. Aber anderen geht es heute so: Direkt vor dem Bella Donna Restaurant am Fahrstuhl übergibt sich eine Frau. Zum Glück in eine Tüte. Diese Tüte ist aber durchsichtig, sie hat sie wohl von der Toilette geholt. Und dieses Durchsichtige ist genau der Anblick, den man sich am Morgen wünscht.
Genauso eine ältere Frau auf der Toilette: kommt aus der Klo-Kabine, guckt einmal in den Spiegel, fängt an, hektische Bewegungen zu machen und zurück in die Kabine zu stürzen. Ob sich der Magen nun ob des Anblicks im Spiegel oder wegen des winzigen Schaukelns umgedreht hat, muss der geneigte Leser nun seiner Fantasie überlassen. Trotz der Pflicht zur möglichst genauen Beschreibung aller Ereignisse, die der Autor in diesen Zeilen verspürt, hat selbiger an dieser Stelle verzichtet, detailliert nachzufragen.
Ach ja, nur der Vollständigkeit halber: Diese Szene auf dem Damenklo kann ich nicht aus eigener Beobachtung berichten (bevor hier noch Gerüchte aufkommen), ich halte die mir Angetraute aber für eine zuverlässige Quelle und berichte das daher als erinnerungswertes Erlebnis in unserem Urlaub.

Atlantik 15.10.19 - Zwei Runden um die Kanarischen Inseln AIDAsol Kanaren

Trotz allem gehen wir unbeeindruckt frühstücken. Ich weiß nicht, ob ich AIDA das jemals verzeihe, aber wir haben ja die von mir nun schon oft beklagte Situation, dass uns als Vielfahrer der Clubstufe Grün das exklusive Frühstück gestrichen wurde. Letztes Mal noch morgens in kleiner Gruppe umsorgt im Buffalo Steak House, werden wir nun wieder ins Buffet-Restaurant verbannt. Nur die Clubstufe Gold (die mal eben neu erfunden und über Grün gesetzt wurde) und die Suiten-Gäste kommen in den Genuss der Exklusivität. Natürlich holen wir uns das wieder, schon nächste Woche erobern wir das zurück (das ist aber eine eigene Geschichte, die ich ab Montag berichte), aber dass AIDA uns diese mühsam erworbenen Vorteile streicht, ist zwar völlig legal, aber extrem ungeschickt, weil es die treuesten der Treuen trifft.

Jedenfalls sind wir gegen 10 Uhr im Bella Donna Restaurant. Welch ein Gewusel. Daran können wir uns kaum noch erinnern, wie es ist, einen Platz in einem vollen Restaurant zu suchen, sich an den Buffets zwischen Menschenmassen hindurchzuschieben und zu warten, bis wieder nachgefüllt wird. Da dies das einzige Restaurant ist, das bis 11 Uhr geöffnet hat, haben wir aber keine andere Wahl. Aber zum Glück leert es sich dann zusehends. Und in den nächsten Tage ist das auch kein Problem, an Landtagen essen die meisten früher. Aber jetzt müssen wir da erstmal durch.

Durch müssen wir auch durch den Kaffee, der sicher nicht schlecht ist, aber auch nicht zu vergleichen mit dem Milchkaffee der letzten Reisen. Und durch muss da auch der Leser, denn nun muss ich wieder ein Thema aufgreifen, dass ich in der Vergangenheit in so manchem Reisebericht kurz gestreift habe und wie ich weiß, so mancher treue Leser nicht wirklich vermisst hat. Aber da es diese unglaubliche Bedeutung in meinem Frühstückserleben hat, muss ich auch dazu kommen: Es gibt Lachs! Oh, wie lang hab ich den vermisst! Der geneigte Leser erinnert sich sicher an die subtilen Bemerkungen, wie ich in der Vergangenheit erlitten habe, dass es diesen Lachs nur jeden 2. Tag im jeweiligen Restaurant gab. Aber heute ist er da und mit dem größten Teller, den ich finden kann (Küchenexperten mögen mir hier verzeihen, dass ich zum Herunterspielen der Tatsachen nicht korrekt „Platte“ schreibe) und allen Anbaubrettern, die ich auftreiben kann, wandert dieser mit Schalen voller Meerrettich zunächst zum Tisch und dann in den Magen. Nach dem Überleben des Flugs gestern ist nun der Lachs-Himmel angebrochen.
Bevor es aber zu Protesten kommt, sei an dieser Stelle einmal betont, dass wir uns beim Essen trotzdem deutsch-kultiviert verhalten. Das bedeutet nicht etwa, dass wir unsere Plätze mit Handtüchern belegen würden, sondern dass wir – egal wie viel wir uns vom Buffet holen – immer alles brav aufessen. Sich Berge zu holen und dann die Hälfte auf dem Tisch stehen zu lassen, entspricht nicht unserem Empfinden vom Wert der Lebensmittel.

Nach der Lachs-Orgie gehen wir einmal über das Pooldeck, um uns Pool-Handtücher zu leihen. Jetzt schon ist es brechend voll, pralle Sonne, aber auch ordentlich windig hier oben. Deshalb genießen wir anschließend lieber unseren Balkon. Auf dem haben wir bis mittags Sonne und er ist windgeschützter. Gegen Mittag verschwindet die Sonne dann immer öfter hinter Wolken, aber es bleibt angenehm warm.
Und nun ist wieder Zeit zu lesen, Reiseberichte zu schreiben oder einfach über das Meer zu schauen, am Horizont nur Wasser und Himmel zu sehen, dem Rauschen der Wellen unter uns zuzuhören und den Wind in den Haaren zu spüren. Das ist Urlaub!

Atlantik 15.10.19 - Zwei Runden um die Kanarischen Inseln AIDAsol Kanaren

Unter uns ist genau die Stelle, an der die Wellen an der Bordwand zerschlagen, wenn sich das Schiff durchs Wasser pflügt. Und damit beginnt auch das Warten des Hobbyfotografen auf die perfekte Welle. Das Warten hätte ich mir allerdings schenken können, denn ein paar Stunden später wird jede Welle zum Brecher.

Wie immer verzichten wir auf Mittagessen, wie sollte das auch noch reinpassen nach dem Frühstück. Stattdessen spielen wie mit den Kindern in der AIDA Lounge eine heiße Runde „Phase 10“. Hier ganz vorne im Schiff merken wir dann, wie die Dünung immer mehr zunimmt und das Schiff immer höher auf- und absteigt. Auch ist an den Panoramafenstern gut zu sehen, wie Sonne wechselt mit Regenschauern. Auf den Treppen merken wir anschließend ganz gut, wie sinnvoll die alte Seemannsregel ist: Immer eine Hand am Geländer.
Wenn das so weitergeht, wird es heute Abend beim Essen wieder schön ruhig. Wobei das relativ ist: „Schön“ ist das nur solange, wie die anderen von Reisekrankheit betroffen sind. Trifft es uns selbst, ist dieser „Schönheit“ nicht mehr viel abzugewinnen.

Ein Latte Macchiato Caramel geht im Café Mare natürlich immer. Ja, dem geneigten Leser könnte aufgefallen sein, dass sich in all den Jahren auf AIDA bei uns so manche Tradition gebildet hat. Heute allerdings „geht“ der weniger, er schleicht vielmehr. Obwohl es nicht übermäßig voll ist, brauchen wir fast 20 Minuten, bis es uns gelingt, einen Kellner auf uns aufmerksam zu machen. Was die drei Kellner stattdessen so fleißig zu erledigen haben, bedecken wir mit dem Mantel des Schweigens. Stattdessen richten wir die Aufmerksamkeit wieder auf das Meer, denn nach dem Kaffee sitzen wir wieder auf dem Balkon, wo die Gischt mittlerweile beim Eintauchen des Bugs fast bis Deck 6 spritzt. Und das, obwohl wir nun merklich langsamer fahren, um die Laune des Magens der Gäste halbwegs zu erhalten.

Damit hänge ich wieder stundenlang über der Reling. Natürlich nur, um doch noch eine schöne Welle zu erwischen. Aber irgendwie liegt gegen Abend der Latte Macchiato schwer im Magen. Und will irgendwie wieder raus. Merkwürdigerweise zusammen mit dem Lachs. Komisch, dass der sich nach 8 Stunden nochmal meldet. Und komisch auch, dass er rückwärts genauso schmeckt wie vorwärts. Danach geht es dem Magen wieder gut, aber sicherheitshalber verzichte ich auf das Abendbrot. Das macht ganz schön Hunger, zum Glück schmuggeln die anderen 2 trockene Brötchen aus dem Restaurant. Ich kann mich nicht erinnern, je etwas so leckeres gegessen zu haben.

Morgen sind wir dann in Funchal.

Atlantik

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Drei Landeversuche, zweimal Durchstarten - ich fliege gern
Die Promenade ist in weiten Teilen fertig